DEIN WEG VOM TRAININGSWELTMEISTER ZUM GEWINNERTYPEN
Text Timo Schwarzmeier: Geht es dir wie den allermeisten Clubspielern in Deutschland, Österreich und der Schweiz? Im Training läuft alles nach Plan und am Wochenende im Turnier scheint auf einmal nichts mehr zu gehen. Es ist wie verhext, dabei hast du doch die letzten Wochen fleissig und ausgezeichnet trainiert.
Genau mit dieser Herausforderung ist im März Thomas in meinem Tennis Performance Coaching gestartet. Schliesslich will er seine Teamkollegen diese Saison in der Bezirksklasse nicht im Stich lassen und auf Position 4 die notwendigen Punkte für den Klassenerhalt einfahren. Thomas spielt mehrmals die Woche mit seinen Clubkollegen und spielt, wenn es die Zeit im stressigen Job und mit der Familie zulässt auch an den LK – Turnieren, um sein Ranking endlich unter LK 15 zu bringen.
Ich zeige dir im Folgenden Schritt für Schritt den gemeinsamen Trainingsweg der vergangenen 12 Wochen von Thomas und mir auf, der sich im Nachhinein für Thomas als absoluten Jackpot herausgestellt hat. Kann dieser Weg verallgemeinert werden? Nein. Jeder Spieler muss zwingend individuell betrachtet werden und entsprechend ein individueller Trainingsplan für den Spieler erstellt werden. (Der hier gezeigte Weg soll dir als Inspiration und Anregung dienen)
SCHRITT 1 - WO LIEGT DAS
PROBLEM?
Bereits im ersten Gespräch mit Thomas hat sich herausgestellt, dass es am Trainingsvolumen nicht liegt. Mit wöchentlich ca. 5 Stunden Tennis ist er absolut im Soll. Vielmehr musste sich die Frage gestellt werden, welche Ziele muss Thomas in dieser Zeit verfolgen und welche Handlungen entsprechend durchführen, damit am Ende das entsprechende Ergebnis erreicht wird. Um dem Problem auf den Grund zu gehen, wurde mir im Vorfeld durch den Spieler eine 30 – minütige Matcheinheit zugestellt. Anhand dieser, sowie eines mentalen Fragebogens, über verschiedene Verhaltensprozesse im Training und Wettkampf wurde ermittelt, wo das Problem liegt. Erstaunlicherweise war in dem Video nicht zu erkennen, welchen Spielstil Thomas bevorzugt und wo seine Stärken tatsächlich liegen. Vielmehr hat das Video den Anschein erweckt der Spieler möchte von allem etwas zeigen. Ob dies Sinn ergibt oder sich negativ auf das Spiel auswirken wird ist dabei zweitrangig. Des Weiteren zeigte sich, dass Thomas eine sehr negative Körpersprache in vielen Spielsituationen ausstrahlt, sowie derzeit die Pausen nicht zu seinen Gunsten nutzt.
MEIN EXPERTEN – TIPP FÜR DICH:
Filme dich einmal in einem Trainingsmatch und gleiche dann ab, ob das, was du dort siehst mit deinem Grundgedanken Tennis zu spielen übereinstimmt, oder ob du dich fragen musst, ob das tatsächlich du auf dem Video bist.
SCHRITT 2 – SPIELSTIL UND STÄRKEN DES SPIELERS STEHEN IMMER IM MITTELPUNKT.
Nach der Ermittlung der Probleme wurde zunächst einmal mit dem Spieler der Spielstil, den er in Zukunft bevorzugt spielen möchte, ermittelt. Sieht er sich als offensiver Spieler, bevorzugt er das defensive Spiel, oder ist er ein Konterspieler? Alle 3 Spielertypen bringen komplett unterschiedliche Voraussetzungen an den Spieler und völlig unterschiedliche Anforderungen an den Trainer und den Trainingsbetrieb mit sich. Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir analysiert haben und der im Amateurbereich häufig vernachlässigt wird, ist der Folgende: Was sind deine Stärken und welche wiederkehrenden Probleme traten in den letzten Monaten im Wettkampf immer wieder auf? Dies sind zentrale Punkte, denen du auf den Grund gehen musst, wenn du dich als Spieler nachhaltig weiterentwickeln möchtest. Durch meine Zusammenarbeit mit vielen Amateurspielern in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass wenn man sich als Trainer diesem Bereich widmet, sich die Frage «Bist du vorbereitet, wie sieht es mit deinem Matchplan aus?» mehr oder weniger in Luft auflöst.
MEIN EXPERTEN – TIPP FÜR DICH:
Definiere deinen Spielstil und sei dir deiner Stärken bewusst und setze diese in deinen Matches konsequent ein.
SCHRITT 3 – LERNE UND TRAINIERE DIE SPIELZÜGE, DIE ZU DEINEN STÄRKEN PASSEN.
Dieser Prozess erfordert Zeit, Geduld und die Lernbereitschaft des Spielers. Meine Aufgabe war es nun aufgrund der in Schritt 2 definierten Stärken die passenden Spielzüge für Thomas zu bauen und diese in die gemeinsamen Trainingseinheiten zu integrieren. Im Kern geht es gar nicht darum, den Spieler mit allen möglichen Spielzugvarianten zu überfordern. Vielmehr ist es die Absicht, dem Spieler für den Anfang 2 bis maximal 3 Spielzüge mit auf den Weg zu geben. Innerhalb dieser Spielzüge lernt der Spieler, dass jeder Schlag einem übergeordneten Ziel folgt und immer eine klare Absicht hinter jedem Schlag steckt.
Beispiel: So verfolgt das tiefe Anspielen der Box C das Ziel, den Gegner hinten aus dem Platz zu drücken. Im weiteren Verlauf somit den Winkel auf der Vorteilseite zu öffnen und dies mit dem übergeordneten Ziel, den Angriff auf die Einstandseite, beim Rechtshänder, die Vorhandseite entsprechend vorzubereiten. Wie du siehst, wird allein durch diesen Teil ein sehr praxisnahes/wettkampfnahes Training von beiden Seiten eingefordert, denn schliesslich muss der Spieler lernen Lösungen in den entsprechenden Spielsituationen zu kreieren und Entscheidungen in den entsprechenden Spielsituationen, die auftreten treffen zu können. Dieser Faktor ist massgeblich für die Entwicklung des Spielers verantwortlich.
MEIN EXPERTEN – TIPP FÜR DICH: TRAINIERE DEINE SPIELZÜGE REGELMÄSSIG IN DEN TRAININGS.
Spielzüge sind am Ende des Tages Routinen, die immer wieder trainiert werden müssen. Wenn du dich darauf verlassen möchtest, dass du im Wettkampf, wenn es darauf ankommt, auf sie zurückgreifen kannst, musst du sie regelmässig trainieren. Alles andere ergibt keinen Sinn.
SCHRITT 4 – WERDE ZU EINER ANDEREN PERSÖNLICHKEIT AUF DEM PLATZ.
Wenn die Dinge, welche du in der Vergangenheit auf dem Platz stundenlang trainiert hast, so erfolgreich wären, warum bist du dann immer noch auf demselben Level wie vor einem Jahr. Hast du dir diese Frage einmal beantwortet? Dieser Part erforderte das grösste Fingerspitzengefühl und musste sehr behutsam angegangen werden. Schliesslich war der Spieler nun aktiv gefordert seine bisherige Komfortzone zu verlassen. Zwei Bereiche, die wir gemeinsam verändern mussten, waren auf der einen Seite die Trainingspartner und auf der anderen Seite die Trainingsstruktur. Die Trainingspartner mussten dabei zwei Kriterien erfüllen. Erstens mussten sie bereit sein nicht nur sinnlos Bälle hin und her zu schlagen, sie müssen also ebenfalls das Ziel haben sich weiterentwickeln zu wollen und zweitens sollten sie vom Level eher in dem Bereich sein, wo Thomas sich hin entwickeln möchte. Im Rahmen der Trainingsstruktur steht bei Thomas in Zukunft stets die Qualität im Mittelpunkt. Jede Spielform, jede Aufgabe erfüllt einen klaren Sinn und Zweck und zahlt am Ende der Einheit auf die Weiterentwicklung und das Erreichen des Ziels von Thomas ein. Wenn du nun leichte Zweifel hegst, ob diese Anpassungen nicht zu Lasten des Spassfaktors innerhalb des Trainings gehen, so kann ich dich beruhigen. Es macht ungemein Spass sich mit motivierten Trainingskollegen auf dem Tennisplatz zu messen und gemeinsam an seinen Zielen zu arbeiten und am Ende des Trainings bei einem gemeinsamen Drink auf die erreichte Weiterentwicklung zurückzublicken.
MEIN EXPERTEN – TIPP FÜR DICH:
Hinterfrage dich einmal selbstkritisch, wer aktuell deine Trainingspartner sind und ob sie dir wirklich beim Erreichen deiner Ziele «dienen».
Zum Abschluss möchte ich euch noch eines mit auf den Weg geben. Einer meiner Leitsätze ist, trainiere so nah wie möglich an der Matchrealität. Und wenn du eines an deinem Tennisspiel mit sofortiger Wirkung ab der nächsten Trainingseinheit ändern kannst, dann das Folgende. Trainiere die Dinge, wie sie im Wettkampf vorkommen! In diesem Sinne wünsche ich euch viel Spass mit der Umsetzung.
Über Timo Schwarzmeier:
Timo ist seit mehr als 20 Jahren hauptberuflich Tennistrainer. Er ist u.a. in Besitz der A – Trainer Lizenz von Swiss Tennis, sowie Trainer Leistungssport mit eidgenössischem Fachausweis. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht den ehrgeizigen Hobbyspieler beim Erreichen seiner Ziele im Tennis zu unterstützen. Dazu hat er sich auf die beiden Bereiche Mental- und Taktiktraining spezialisiert. Weitere Infos findest du hier: